Friday, August 25, 2006

Hinter den Blättern

Hilberts kritische Facharbeit über "Hagakure - der Weg des Samurai" -> http://www.subkultur.com/buecher/060822hagakure.html

*verneig*

Tuesday, August 22, 2006

Denn Du Bist... - Exkurs durch den Sumpf der Darstellung

Als ein sich beobachtender Mensch stieß ich, im Rahmen meiner Auseinandersetzung mit meiner Ernährung, nun auf die Produkte des "Lebe-Gesund!"-Versandes, der momentan, durch verstärkte Werbe-Kampagnen, mit dem Slogan "Vegetarisch essen - Fleisch vergessen" auf sich aufmerksam macht. Dieser Versandhandel bietet, ebenso wie die zahlreichen Marktstände und diverse Verkaufsgeschäfte in unserer Region, Produkte aus dem sogenannten "friedfertigen Landbau" an. Dazu gehören, neben den bekannten vegetarischen ibi-Aufstrichen, auch Backwaren, frisches Gemüse und Salate, Soßen, Weizenfleisch und eine weitere Unmenge an Produkten zur fleisch- und tierfreien Ernährung.

Als "nicht nur einfach Vegetarier, sondern spiritueller Mensch" stellt man sich ja generell die Frage, wie man dem Konsum entsagen, der Verschlechterung der Ernährungsqualität entgegenwirken und hin zu einer gesunden und natürlichen Nahrungsaufnahme finden kann. "Natürlich" wäre ja eigentlich auch ein Hamstern im Überfluß. Jedes Lebewesen hortet, setzt Reserven an und beginnt im ständigen Überfluß mit einer verstärkten Reproduktion. Wir Menschen meinen mit "natürlich" etwas Anderes, nämlich den Einklang. Dazu gehört neben der qualitativen Selektierung auch eine quantitative: Das Maßhalten! So soll man sich beispielsweise nicht ständig "überfressen" und nicht Unmengen Zucker einfach nur durch Unmengen Süßstoff ersetzen. Es ist einfach wichtig, alles in normalen Mengen und bewusst zu sich zu nehmen. Denn weder Essen noch Zucker machen aus sich selbst heraus krank, wie es uns im Rahmen unseres "neuen Gesundheitsbewusstsein" von Medien und Anbietern of suggeriert wird.

Die Versorgung mit Lebensmitteln also wird dabei zum entscheidenden Faktor, denn eine bewusste Ernährung kann sich nicht auf eine unbewusste Beschaffungsweise gründen. Sobald man jedoch versucht, bewusst einzukaufen, stellt man schnell fest, dass der „westeuropäische Supermarkt“ einfach nicht die richtige Quelle für ernährungsphysiologisch wertvolle und spirituell harmonisierende Nahrung sein kann. Er ist laut, bunt, übervoll und damit, für einen sich in der Achtsamkeit übenden Menschen, einfach zu massiv! Wenn der Gang zum Einkaufen „zur Qual wird“, ist es also dringend an der Zeit, nach Alternativen zu suchen. Allerdings bieten „Bio“ und „Öko“ keine wirkliche Alternative, denn letztlich wurden diese Marktsegmente mittlerweile von der kapitalistischen Marktwirtschaft assimiliert und sind somit kein Stück besser, als der restliche Lebensmittelmarkt.

Dazu will der „Lebe Gesund!“ Versand eine echte Alternative anbieten. Dies tut er auch, wenn man den ausführlichen Beschreibungen glauben will, und das nicht nur mit einem ökologischen Hintergrund, sondern eben auch mit einem philosophischen bzw. spirituellen Ansatz. So gelten z.B. die „Dreifelder-Wirtschaft“ (mit Flächenbrachlegung in jedem dritten Saatzyklus) und die klare Absage an die Nutztierhaltung zu den Grundprinzipien dieser „friedfertigen“ Landwirtschaft. Und dies alles folgt „den Geboten Gottes“ auf den „Gütern Neu Jerusalem“.

Damit kommen wir also zum Kern der Sache. Hellhörig durch eben diesen Hinweis auf „die Gebote Gottes“ und die „Güter Neu Jerusalem“, ergibt eine kleine Recherche sehr schnell, dass die gesamte Firmengruppe, die sich um die Erzeugung, die Verarbeitung und den Vertrieb der Produkte kümmert, im direktem, wenn auch nicht formaljurisitischen Zusammenhang mit der in Würzburg ansässigen Religionsgemeinschaft „Universelles Leben“ steht. Diese Religionsgemeinschaft, initiiert von der „Prophetin“ Gabriele Wittek, geht in ihrer Lehre dem mystischen Schulungsweg des „Urchristentums“ nach. Das alles macht sie natürlich zum Ziel öffentlicher Kritik, vorwiegend durch Gruppen, die solche Gemeinschaften generell als ihre „Gegner“ betrachten. Dazu gehören, neben den Sektenbeauftragten und –beratungsstellen der großen Kirchen, auch die einschlägig bekannten Organe zur „Aufklärung über Sekten und Psychogruppen“. Wie wir ja schon wissen, lassen die großen Kirchen keinerlei Abspaltung und Abrückung von Ihrer Lehre zu und diffamieren dabei gern, gerade sich im christlichen Bereich bewegende, Andersdenkende. Die „Öffentlichkeit“ greift im Umgang mit "Universelles Leben" die so entstehenden Vorwürfe des „totalitären Führungsstils“, des „Sektentums“ und der „Gefahr durch psychische Beeinflussung der Mitglieder“ gern auf und mischt daraus einen Giftcocktail der allumfassenden Schlechtredung.

Dass die Gemeinschaft, vor allem mit juristischen Mitteln, dagegen zu Felde zieht, wird ihr ebenfalls zum Vorwurf gemacht und bringt ihr die Bezeichnung „Prozess-Sekte“ ein. Die meisten Vorwürfe, die ich finden konnte, beziehen sich jedoch nicht auf die eigentliche Lehre und deren Praxis, sondern beschäftigen sich hauptsächlich mit der „Konzernstruktur“ der gemeinschaftsnahen Firmen und deren Unternehmenspolitik. Dass daraus kein konstruktiver, philosophischer Dialog entstehen kann, sollte klar sein. Allerdings konnte ich in den Umschreibungen der Firmenpolitik und Konzernstruktur der Firma „Gut zum Leben“ nichts finden, was sich nicht auch von einer gewöhnlichen mittelständischen Firmengruppe, wie sie in Deutschland hundertfach vorkommt, behaupten ließe.

So frage ich mich bei dem Vorwurf des „totalitären Führungsstils“, ob ich nicht demnächst meinen Chef fragen sollte (denn ich arbeite für eine mittelständische, deutsche Firmengruppe), ob wir nicht lieber ein Entscheidungsgremium einsetzen wollen, das von den Mitarbeitern gewählt wird, anstatt die Geschäftsführer oder Teilhaber entscheiden zu lassen. Er wird wahrscheinlich, nachdem er mir lächelnd meine Kündigung ausgesprochen hat, mich in die Bezirksklinik einweisen lassen. Und dass in einem normalen Betrieb, von dessen Mitarbeitern, oft ohne Erfassung oder Abrechnung, Überstunden geleistet werden (von bis zu 15 in der Woche war die Rede), brauchen wir nicht besprechen. Bei eingehender Betrachtung bekommt man also den Eindruck, dass man einem Unternehmen vorwirft, dass es wirtschaftlich arbeitet, weil seine Betreiber einer anders denkenden Randgruppe angehören.

Natürlich müssen diese Produkte vermarktet werden! Deswegen hat die Firma auch ein großartiges Marketingkonzept entwickelt, das einem aber, im Gegensatz zur üblichen Werbung, nicht etwas vorgaukelt, sondern mit aufrichtigen, für uns alle wichtigen Botschaften, Produkte anpreist, die ihre Qualität unter Beweis stellen können. Natürlich müssen diese Produkte vertrieben werden! Deswegen sind die Lebensmittel (zusätzlich) zertifiziert, um das Siegel „Aus kontrolliert ökologischem Anbau“ tragen zu können. Deshalb gibt es Marktstände, Geschäfte und den Versand, die alle die Botschaft in die Welt hinaustragen.

Dies alles sind nun keine Argumente gegen den Bezug und Verzehr der Produkte der Firma „Gut zum Leben“. Versprechen diese doch einige Vorteile, die mir bisher kein Bioladenbesitzer versprechen konnte. Regionaler Anbau, friedfertiger Landbau, im Einklang mit der Natur, keine Nutztierhaltung, keine Gülle und kein Mist auf den Feldern, kein Kunstdünger, und noch viele, viele Dinge mehr. Eben getreu dem Werbespruch „Wir sind nicht "Bio", wir sind reine Natur!“ Natürlich muss das alles finanziert werden! Deshalb kosten die Produkte auch einiges mehr, als die Billigware im Supermarkt. Es sollte einem generell nachdenklich stimmen, wenn die rotglänzenden, perfekten Tomaten aus Spanien billiger sind, als die aus dem „heimischen Gemüsegarten“.

So bleibt also nur noch die Lehre der dahinterstehenden Glaubensgemeinschaft, die das ganze System in Frage stellen könnte. Zwar habe ich mich bisher nur oberflächlich mit den Inhalten der Lehre beschäftigt, konnte aber nichts finden, was sich als gefährlich oder grundsätzlich falsche Ansicht darstellen ließe. Im Gegenteil stellen die viel zitierten Grundsätze ein schönes Repertoire an spirituellen Glaubenssätzen dar. Nichts was sich nicht auch im Buddhismus, bei Seth / Jane Roberts oder anderen findet. So stehen, neben der hundertprozentigen Selbstverantwortung für Handlung und Konsequenz, auch die freie Entscheidung, die direkte Verbundenheit aller Dinge und das Prinzip der Erleuchtung im Raum. Dass diese Botschaften, der spirituellen Einsicht einer einzelnen Person entstammen, ist ebenso wenig verwerflich, wie Einkleidung der Lehre in ein christlich-esoterisches Begriffskostüm.

Gleiches gilt natürlich auch für die Religionsgemeinschaft an sich. In jeder Gesellschaftsform gibt es Regeln und Prinzipien, ohne die sie nicht funktioniert. Ich will über die streng hierarchische Gliederung der anerkannten Religionen gar nicht sprechen, denn keine der Weltreligionen, deren unzählige Splittergruppen und keine der existenten Gesellschaftsformen basieren auf dem zufälligen Zusammentreffen von freidenkenden Gleichgesinnten. Sie existieren in den Köpfen, gelinde gesagt, durch Jahrhunderte andauernde Unterweisung. (Nein, das böse Wort "Gehirnwäsche" wollen wir jetzt nicht verwenden). Aus diesem Kontext heraus darf wohl keiner dem anderen vorwerfen, dass er seine Gemeinschaft oder seine Firma "führt", zumal es, im Gegensatz zu den meisten Kirchen, bei "Universelles Leben" keine offizielle Mitgliedschaft und keine Pflichtabgaben gibt. Darum ist es auch logisch, dass so etwas nur mit freiwilligen Spenden und anderen unentgeltlichen, ehrenamtlichen Leistungen funktionieren kann.

Die Gemeinschaft will alle Wesen zur Erlösung führen und eine Welt ohne Leid errichten, wofür sie eben auch etwas tut. Dass dies im zentraleuropäischen Kontext und ganz besonders in Bayern immer öffentlich kritisch beäugt wird, ist nur natürlich. Im asiatisch-spirituellen Kontext allerdings, gibt es der Gruppe nichts vorzuwerfen, denn sie ist eine unter unzähligen, die letztlich für die gleiche Sache kämpfen. Welche Irrungen und Wirrungen dabei auftreten können, weiß jeder, der sich mit seiner spirituellen Entwicklung auseinandersetzt, aus persönlicher Erfahrung. Davon kann eine ganze Gemeinschaft nicht verschont bleiben. Solange sie aber daran arbeitet, diese zu überwinden, wird auch etwas Gutes daraus entstehen. Und wenn es nur die Lösung meiner ganz persönlichen Ernährungsfrage ist...