Saturday, November 26, 2005

unbekümmert

Die Welt geht zugrunde. Unbekümmert höre ich Nachrichten aus aller Welt, doch sie berühren mich nicht.
Was ist es wohl, das mich so weit weg bringt, vom so genannten "Zeitgeschehen"? Interessant ist für mich nur, was sich in meiner nächsten Umgebung abspielt, was von sich aus auf mich zukommt oder was ich mir selbst konstruiere.
Ja, das tue ich reichlich: Konstruieren.
Meist hängt der Geist in der Vergangenheit. Zumindest dann, wenn er nichts Besseres zu tun hat. Gibt es interessante rezeptorische Meldungen der fünf Sinne, ist der Geist auch schnell dort. Manchmal hüpft er auch in die Zukunft. Konstruiert aus "Vergangenheit" und "Gegenwart" eine mögliche, oder vielmehr wünschenswerte "Zukunft".

Das was wir unsere Vergangenheit nennen, ist, wie ich immer öfter feststelle, das, was wir aus unseren Erinnerungen bauen. Wir fügen ständig neues hinzu, lassen weg, vergessen, verdrängen, modifizieren und erzählen diese Geschichten dann immer und immer wieder. Entweder uns selbst, oder jedem, der sie hören will - oder auch nicht.
Die Vita der Menschen setzt sich aus den immer gleichen Erzählungen zusammen. Weniger Daten oder Fakten sind für unser erzähltes Leben ausschlaggebend, als mehr die Art, wie wir uns erinnern.

Der Denker in mir, wie schon oben beschrieben, hat jedenfalls keine Ruhe.
Der Buddhismus erzählt die Geschichte von wilden Affen, der zwischen zwei Palmen umherhüpft und dabei laut schreit. Der Mann sitzt unter dem Baum und tut nichts. Beobachtet nur ruhig seinen Atem. Schenkt dem Affen keine Beachtung. Langsam wird der Affe neugierig, wird ruhiger, kommt vom Baum herunter und setzt sich still neben den Mann.
Dann verschwindet der Affe, die Palmen verschwinden und der Mann ist nicht mehr. Die Grenzen lösen sich. Die Szene wird vollkommen präsent.
Das ist dann die vollständige Verwirklichung des "Hier und Jetzt", der reine Augenblick. Satori, die Verwirklichung der Buddha-Natur.

Obwohl uns dieser Zustand so nahe ist, dass kein Blatt Papier zwischen uns und den Augenblick passt, ist es so unglaublich schwer dort hinzukommen.
Meine Motivation zu sitzen, ist momentan gleich Null. Lediglich eine Art von "schlechtes Gewissen" erinnert ab und zu an den in mir herrschenden Wunsch, mich in der Praxis des Zen zu üben. Mein Kissen liegt verstaubt in der Ecke. Der Winter hat mich erwischt. Nicht dass ich mich schlecht fühlen würde; nein, es geht mir hervorragend. Ich werfe mich voller Freude und Bewusstsein in all die Dinge, die ich eigentlich lassen will. Der Bauch ist voll, der Alkohol wirkt, das Nikotin betäubt, die Party tobt, der Rubel rollt. Weihnacht, ich komme. Toll das! - oder auch nicht.

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